von Dolores Richter
In dieser komplexen Zeit wächst meine Notwendigkeit,
mich in meinem nahen Umfeld in Freundschaften und Liebesbeziehungen verankern zu können. Ich will mich sortieren, Standpunkte abgleichen, auftanken, meine Perspektive erweitern, Rückmeldungen einholen. – Wir geben uns Raum, unser Erleben zu verarbeiten und unseren Beitrag in der Welt auf verkörperte Weise geben zu können.
Zwischendurch gerate ich allerdings auch mal schnell in ein Hamsterrad von Reaktivität oder Rückzug, drehe mich in inneren Dialogen hin und her. Lieblos.
Wie pflege ich Liebe, wenn sie dann so weit weg scheint?
Wenn sie feststeckt in der Dynamik von Erwartung und Enttäuschung?
Zum Glück ist irgendwo in mir abgespeichert: das ist nicht die Wirklichkeit,
sondern ein Hinweis darauf, dass ich Entspannung und Weitung brauche.
Das kann ein ehrliches Gespräch bewirken, eine Inspiration, oder ich gehe dafür in einer Aufstellung mit Bodenankern durch die sechs Aspekte der Liebe, die ich als Ressourcen meiner Liebesfähigkeit herausgearbeitet habe. Liebe ist so viel mehr.
Liebe hat viele Quellen. Wenn ich das alles von einem Menschen erwarte, kreiert das Stress auf allen Seiten.
Und wie nährend werden Liebe und Freundschaften, wenn wir ich meine Liebesquellen pflege.

Sechs Aspekte der Liebe
( – copyleft von Dolores Richtermit Quellenangabe: doloresrichter.com)
Ich schreibe heute über die Selbstliebe. Die weiteren Aspekte kommen jeweils in einem eigenen Artikel mit dem siebten Teil: das Zusammenspiel. Viel Freude damit!
1. Selbstliebe
Das Bemühen um Selbstliebe ist zunächst ein kulturelles Phänomen und Folge einer entfremdeten Leistungsgesellschaft, in der Performance und Wirtschaftswachstumszwang den Ton vorgeben. Das bedeutet, dass wir anerkennen dürfen, dass ein Selbstwertmangel nicht (nur) unser persönliches Problem ist. Und es bedeutet auch, dass ein nachhaltiges Selbstgefühl auch eine Frage unserer Lebensgestaltung ist.
In letzter Zeit ist mir für das Erfahren von Selbstliebe der Begriff „Selbstkontakt“ näher geworden. Selbstkontakt bedeutet: Ich halte inne, gehe in die Stille, nehme Körper und Atem wahr und lasse mehr und mehr in meinem Bewusstsein auftauchen, was mich im Herzen bewegt. Es entsteht ein Raum, in dem ich meine Innenbewegungen fühlen, bezeugen und halten kann. Ich fühle auf eine Weise, die mich nicht hineinzieht, sondern gleichzeitig fühlt und wahrnimmt. Oft ist das, was da ist, nicht gerade angenehm. Ich spüre vielleicht Mangel, Schmerz, Trauer, Ärger .. Entscheidend ist, dass ich das, was ist, dasein lasse, ohne es ändern zu wollen. Wenn ich das eine Weile halten kann, kann es sein, dass eine Entspannung eintritt, die so ungefähr ausdrückt: ich muss es nicht wegmachen, ich muss es nicht ändern, es hat seinen Platz. In dem wahrnehmenden Bezeugen entsteht Raum, manchmal Wärme, oft Akzeptanz. Ich entspanne mich, weil ich meiner Realität nahe bin. Ich bin im Kontakt mit dem, was ist. Mein Nervensystem entspannt sich, und die Ausgangssituation fühlt sich integrierter an, sie hat weniger Ladung oder weniger Schmerz. Auch fühle ich mich unabhängiger von der auslösenden Person, die mich vorher noch in ihrem Bann hatte.
Das, was ist, wahr-nehmen. Das erlebe ich als Selbstkontakt. Die Instanz in mir stärken, die wahrnimmt. Ich bin im Kontakt mit mir und dadurch in der Lage, im Kontakt mit der Welt oder mit anderen zu sein.
Gelingt das immer? Nein. Manchmal verzweifle ich und denke, alle Errungenschaften dieser Art seien umsonst gewesen und hadere und strauchle wie eh und je. Das sind Momente, wo sich Stress, wenig Qualitätszeit, Funktionieren müssen und ungelöste Konflikte von früher in eine aktuelle Situation wickeln. Um da rauszukommen, brauche ich erstmal wirkliche Muße, körperliche Entspannung, eine andere Umgebung oder/und Menschen, die mich nicht auf Altes festlegen. Manchmal ist es auch ein Gebet, eine Bitte um Hilfe, eine Bewegtwerden durch Musik oder Auslüften in der Natur. Nach und nach tritt dann doch der Zustand ein, wo ich wieder den Kontakt zu mir finde. Und mehr und mehr erinnert sich mein System, dass es einen inneren Ort gibt, in dem meine ganze Komplexität Platz hat und sich sortieren kann.
Ich erfahre, dass ich mich im Selbstkontakt tatsächlich mehr und mehr lieben kann – als eine tägliche Praxis, die nicht zum Ziel hat, irgendwann damit fertig zu sein, aber einen immer festeren, ja soliden Boden bildet.
Ich sehe Selbstkontakt als den Beginn der Reise zur Selbstliebe. Mit der Zeit werden uns unsere Gefühle und Bedürfnisse vertrauter, wir lernen, sie wahrzunehmen und angemessen auszudrücken. Weitere wichtige Bausteine dafür sind wachsende Selbstverantwortung, Potentialentfaltung/Berufung leben, Beitragen, Kultur gestalten.
Es geht bei dem allem nicht um ein Programm zur Selbstoptimierung. Sondern die Erkenntnis, dass unsere Kultur Authentizität nicht fördert, und wir deshalb uns unsere Natürlichkeit zurück erobern müssen. Persönlich und kollektiv: darum ist die Liebe nicht nur ein persönlicher Weg, ich nenne es: Liebe ist ein soziales Kunstwerk.
Die weitere Quellen der Liebe (siehe oben) werde ich in unregelmäßigen Abständen beschreiben. Ihr findet sie dann auf meiner website (liebeskunstwerk.org), oder bestellt sie bei mir (dolores.richter@posteo.de).
Herzliche Grüße, Dolores Richter
Wenn ihr euer Lieben auf einen umfassenderen Boden stellen, gemeinsam erforschen, ins Leben holen wollt, seid herzlich eingeladen in unsere Jahres-Liebesforschungsgruppe Liebeskunstwerk in 2026 mit Dolores Richter & Michael Anderau
Drei Module á 4 Tage, Beginn 15. April 2025, Anmeldung hier: https://www.zegg.de/de/veranstaltungen/programm/cf33272b9e4e4b479cdc339754b25439/jahresgruppe-liebeskunstwerk